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Der Aufstand am 17. Juni 1953

 
Ein Bildlogo mit der Aufschrift Sehnsucht nach Freiheit 17. Juni 1953

Vorgeschichte

Der Aufstand am 17. Juni 1953 war eine spontane Erhebung, die sich schnell über die gesamte DDR ausbreitete. Die Gründung der DDR hatte sich als Weg in die Diktatur erwiesen. Die Folgen waren auch im Alltagsleben zu spüren. Die Politik der SED wurde auf der 2. Parteikonferenz im Juli 1952 konkretisiert und verschärft, indem sie den »Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe« machte. Zur Vorgeschichte des Aufstandes gehören:

  • die Wahlen zur Volkskammer Am 15. Oktober 1950 mit Einheitslisten,
  • die Gleichschaltung der Justiz,
  • die Einführung der Planwirtschaft, die mit scharfen Restriktionen gegen Selbständige, Gewerbetreibende und Bauern einherging,
  • die Militarisierung des Landes nur wenige Jahre nach dem Kriegsende,
  • die Repressionen gegen die evangelische Kirche, vor allem die Junge Gemeinde,
  • eine Versorgungskrise und Preiserhöhungen,
  • die Zentralisierung der Staatsmacht, insbesondere durch die Abschaffung der Länder im Juli 1952,
  • die Erhöhung der Arbeitsnormen am 28. Mai 1953 um mindestens 10 Prozent
  • und daraus resultierend: Flucht und Abwanderung.

Die politische und ökonomische Krise in der noch jungen DDR war auch den Genossen in Moskau nicht verborgen geblieben. Dort mischte man nach dem Tod Stalins die Karten neu und wünschte auch Änderungen in der DDR. Nach der Rückkehr einer Delegation aus Moskau trat das Politbüro der SED am 5. und 6. Juni zu Krisensitzungen zusammen. Am 9. Juni wurde eine Politik des Neuen Kurses beschlossen und am 11. Juni vom Ministerrat zum offiziellen Regierungskurs erklärt. Während zahlreiche Schikanen zurückgenommen wurden, geschah das ausgerechnet bei den erhöhten Arbeitsnormen nicht.

In der Folge kam es zu ersten Arbeitsniederlegungen und Streiks. Die Rücknahme der Normerhöhung durch das Politbüro am 16. Juni kam zu spät; vielmehr ließ ein Artikel in der gewerkschaftsnahen Zeitung »Tribüne« am selben Tag das Fass zum Überlaufen bringen. Dort schrieb der Sekretär beim Bundesvorstand des FDGB, dass »die Beschlüsse über die Erhöhung (…) in vollem Umfang richtig« seien.

Experten erklären: Dr. Roger Engelmann über den 17. Juni 1953

Der Aufstand

Der unmittelbare Anlass für den Aufstand war die Erhöhung der Arbeitsnormen durch das Regime, doch schnell wurden auch politische Forderungen gestellt. Am 17. Juni verbreiteten sich die Demonstrationen und Streiks in der gesamten DDR. Demonstranten besetzten Einrichtungen der Partei und des Staates und befreiten politische Gefangene. Dies geschah entgegen der Behauptungen des Regimes ohne vorherige Planung und Organisation oder herausragende Anführer. Aus den Erfahrungen der ersten Jahrhunderthälfte wussten gerade die Arbeiter intuitiv, was zu tun war. In über 500 Städten und Gemeinden der DDR gab es Streiks, Demonstrationen und Unruhen bis hin zu vereinzelten Ausschreitungen.

Als am Morgen des 17. Juni das Politbüro zu einer Sondersitzung zusammentreten wollte, erfolgte ein Telefonanruf aus der Sowjetischen Militäradministration, mit dem die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros nach Karlshorst einbestellt wurden. Um die Mittagszeit informierte der Ende Mai ernannte Hohe Kommissar der UdSSR in Deutschland, W. S. Semjonow, dass Moskau ab 13:00 Uhr den Ausnahmezustand für Berlin angeordnet habe. Die anderen Bezirke der DDR folgten im Laufe des Nachmittags. Während der Aufstand in Berlin aufgrund der massiven Präsenz der Roten Armee bereits bis zum Abend zum Erliegen kam, gab es in anderen Teilen der DDR auch in den nächsten Tagen noch vereinzelte Streiks. Widerstand gegen die Truppen der Besatzungsmacht vermieden die Aufständischen. Er hätte wohl auch zu einem Blutbad geführt.

Nachgewiesen sind 51 Menschen, die während des Aufstandes erschossen wurden. Etwa die Hälfte fiel sowjetischen Schützen zum Opfer; die andere Hälfte der deutschen Volkspolizei.

Nachwirkungen

Bereits während des Aufstandes setzte die Strafverfolgung ein. Mindestens 18 Aufständische wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht zwischen dem 17. und dem 22. Juni standrechtlich erschossen; wie viele von sowjetischen Militärtribunalen zur Zwangsarbeit verurteilt wurden, konnte nicht ermittelt werden. In Görlitz wurden zum Beispiel zwei Todesurteile in Freiheitsstrafen von 20 und 25 Jahren umgewandelt. Nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, setzte die Verfolgung durch Volkspolizei und Staatssicherheit ein. Das Versagen der Sicherheitsorgane sollte mit Übereifer wettgemacht werden. Vordringlich war das Festsetzen von »Rädelsführern« und »Provokateuren« aus dem Westen. Damit sollte die Behauptung eines vom Westen gesteuerten Putschversuchs belegt werden.

Bis zum 30. Juni erfolgten in der DDR 6.171 Festnahmen. Möglicherweise überkamen Justizminister Max Fechner angesichts dieser Verhaftungswelle Skrupel. Jedenfalls forderte der ehemalige Sozialdemokrat an diesem Tag in einem Interview im Neuen Deutschland, dass nur solche Personen bestraft werden sollen, »die sich eines schweren Verbrechens schuldig« gemacht hatten. Ohne Beweise solle keine Bestrafung erfolgen. Fechner verlor daraufhin sein Amt als Justizminister und wurde am 24. Mai 1955 in einem Geheimprozess nach Artikel 6 Absatz 2 der DDR-Verfassung zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Ein knappes Jahr später ließ man ihn frei.

Zum ersten Jahrestag des Aufstandes wurden in einem viertägigen Schauprozess angebliche »Hintermänner« des Aufstandes vorgeführt, die man zuvor aus West-Berlin entführt hatte. Sie sollten die Kronzeugen für die These sein, dass der 17. Juni als »Tag X« von westlichen Geheimdiensten inszeniert worden sei. Das Oberste Gericht blieb die Beweise schuldig, verhängte aber dennoch Strafen von 5 bis 15 Jahren. Insgesamt wurden in der Folge des Aufstandes ungefähr 1.600 Menschen von DDR-Gerichten verurteilt.

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